Die vergessene Fahrkarte
Christian war nervös. Es war das erste Mal, dass er seine Fahrkarte vergessen hatte. Was, wenn er ausgerechnet heute kontrolliert werden würde? Er schaute aus dem Fenster. Draußen regnete es und erste Pfützen hatten sich gebildet. Er schwitze, dabei war es eher kalt im Zug. Er schaute nervös auf seine Uhr. In 5 Minuten würde er endlich ankommen. Eine Stunde musste er jeder Woche mit dem Zug zum Fußballtraining fahren. Normalerweise mochte er diese Fahrt, aber heute ganz und gar nicht.
Der Zug rollte mit hoher Geschwindigkeit durch die Landschaft, vorbei an grasenden Kühen und Schafen. Der Herbst hatte begonnen und am Himmel waren die ersten Schwärme von Gänsen zu erkennen, die sich in Richtung Süden aufgemacht hatten. Ein lautes Niesen ließ ihn aufschrecken. Neben ihn hatte sich eine sehr alte Frau gesetzt, welche es sich nun neben ihm gemütlich machte.
Sie begann, mehrere Dosen mit Essen auszupacken und vor sich auf den kleinen Klapptisch zu stellen. Die erste Dose, aus der sie jetzt zu löffeln begann, roch nach Fisch. Genervt schaute Christian wieder aus dem Fenster.
Die Tür zum Zugabteil öffnete sich. „Eine Fahrkartenkontrolle, die Fahrkarten bitte.“
Christian zuckte zusammen. Jetzt passierte es tatsächlich. Immer hatte er sein Monatsticket dabei gehabt und noch nie war er kontrolliert worden. Ausgerechnet heute. Es war nicht schlimm, er würde es vermutlich einfach am nächsten Tag vorzeigen können. Aber der Fahrkartenkontrolleur würde seinen Namen und seine Adresse aufschreiben müssen. Das würde etwas dauern. Und er würde nicht rechtzeitig zum Training kommen.
„Wenn du noch einmal zu spät kommst, fliegst du aus der Mannschaft“, hatte sein Trailer letzte Woche gesagt. „Dann war es das für dich. Sei pünktlich!“
Der Fahrkartenkontrolleur war jetzt nur noch zwei Reihen vor ihm. Christian fing an, in seiner Tasche zu wühlen. Vielleich war das Ticket ja doch irgendwo. Er wurde immer hektischer. Die Frau neben ihm gucke ihn an, ohne mit dem Kauen ihres ekelhaften Fischbreis aufzuhören. Sie hielt ihr Zugticket bereits in der Hand.
Jetzt war der Fahrkartenkontrolleur bei ihnen abgekommen. Die Frau zeigte ihre Fehrkarte vor: „Bitte schön. Der Junger hier neben mir ist mein Enkel. Es stimmt doch, dass er kostenlos bei meinem Ticket mitfahren darf?“ Der Kontrolleur schaut Christian an. „Wenn er höchstens 12 Jahre alt ist, dann ja.“ sagte er. Christian nickte heftig. Der Kontrolleur schaute wieder auf das Ticket. „Allerdings hätten Sie dies beim Fahrkartenkauf angeben müssen.“ „Ach herrje…“, antwortete die Frau, „das habe ich wohl vergessen. Ich bin 92 Jahre alt, wissen Sie?“ Sie lächelte den Kontrolleur an. „Schon gut. Denken Sie beim nächsten Mal bitte daran“ antwortete dieser, während er schon zur nächsten Sitzreihe ging.
Christian schaute die Frau an. Er wusste nicht, was er sagen wollte. Sie lächelte ihn an, während sie weiter ihren Fisch kaute. Christian lächelte zurück. Dann machte er sich fertig, um auszusteigen.